OLG Frankfurt am Main 06.01.2025 – Unterbliebene Anhörung eines Kindes

Fehlerhaft unterbliebene Anhörung eines Kindes 

Die fehlerhaft unterbliebene Anhörung eines Kindes stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel dar und kann zur Aufhebung der Entscheidung führen. 

Dem heute vorgestellten Beschluss ging der Beschluss des Amtsgerichts Lampertheim vom 19.11.2024 (Az. 3 F 545/24 SO) voraus, indem der Kindesmutter das Sorgerecht entzogen und auf das Jugendamt übertragen wurde. 

Das OLG Frankfurt am Main hat in seinem Beschluss vom 06.01.2025 (Az. 6 UF 239/24) die Aufhebung der vorherigen Entscheidung angeordnet und an das Amtsgericht zur erneuten Entscheidung zurückverwiesen. Das Amtsgericht soll eine umfassende Beweiserhebung einschließlich der Anhörung des Kindes und deren Pflegeperson durchführen. 

Der Fall vor dem OLG 

Nach der Geburt des betroffenen Kindes wurde das Kind mit Zustimmung der Kindesmutter vom Jugendamt in Obhut genommen und in einer Pflegefamilie untergebracht, in der es seit dem lebt. Später widerrief die Kindesmutter ihre Zustimmung hierzu. Das Jugendamt beantragte daraufhin beim Familiengericht den Entzug der elterlichen Sorge wegen Kindeswohlgefährdung. Das Gericht entschied, dass der Kindesmutter das Sorgerecht gemäß §§ 1666, 1666a BGB entzogen und dem Jugendamt übertragen werden sollte. Die Kindesmutter, der Kindesvater, das Jugendamt sowie der Verfahrensbeistand stimmten dem im Verfahren zu. Im Nachgang zu der Entscheidung widerrief die Kindesmutter erneut ihre Zustimmung und beantragte die Entscheidung des Gerichts aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen. 

Wie ist die Rechtslage? 

Grundsätzlich sieht das Gesetz vor, dass bei Gefährdung des Kindeswohls das Gericht Maßnahmen ergreifen kann, um das Kind und dessen Kindeswohl zu schützen. Das Gericht kann bei einer Kindeswohlgefährdung auch teilweise oder vollständig den Eltern die elterliche Sorge entziehen. 

Das Gericht ist verpflichtet eine persönliche Anhörung des Kindes durchführen, um sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen. Dies gilt in Verfahren wegen Kindeswohlgefährdung auch dann, wenn das Kind aufgrund seines geringen Alters nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen zu bekunden. 

Was hat das Gericht entschieden? 

Das Gericht hat entschieden, dass das vorinstanzliche Gericht im vorliegenden Fall, trotz der vorliegenden Zustimmung der Beteiligten zum Entzug des Sorgerechts, nicht von der Prüfung der Voraussetzungen der Kindeswohlgefährdung nach §§ 1666, 1666a BGB hätte absehen dürfen. Zudem hätte das Gericht nicht von der rechtsstaatlich gebotenen und tragfähigen Begründung seiner Entscheidung absehen dürfen. 

Das Gericht hätte sich auch von einem grade erst geborenen Kleinkind einen persönlichen Eindruck verschaffen müssen, da der Körper oder das Verhalten des Kindes Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls geben können. Es war hier fehlerhaft, dass das Gericht die erforderliche Anhörung des Kindes unterlassen hat. 

Somit liegt ein wesentlicher Verfahrensmangel im Sinne des § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG vor, welcher zur Aufhebung der Entscheidung und zur Rückverweisung berechtigt.  

Wichtig an der Entscheidung ist, dass das Gericht in Ausprägung seines staatlichen Wächteramtes an seine umfassende Amtsermittlungspflicht erinnert wurde. Es hat die persönliche Anhörung des Kindes durchzuführen. Diese dient auch dazu, die Subjektstellung des Kindes in den besonders grundrechtsrelevanten Kinderschutzverfahren zu stärken. Ferner stellt das OLG hier klar, dass die elterliche Sorge nicht zur Disposition der Eltern steht. Zudem stellt eine Sorgerechtsentziehung einen erheblichen Grundrechtseingriff dar und bedarf einer umfassenden und tragfähigen Begründung durch das Gericht. Es muss außerdem im Verfahren noch geklärt werden, ob nicht zunächst der Kindesvater geeignet ist die elterliche Sorge auszuüben, da ansonsten die elterliche Sorge gesetzlich zunächst auf den Kindesvater zu übertragen wäre. 

Sollten Sie Fragen zur Sorgerechtsentziehung oder zu sonstigen Themen im Familienrecht haben, unterstützt DP Recht Sie gerne. Kontaktieren Sie uns gerne per E-Mail oder rufen Sie uns in unserer Kanzlei an, um mit einem Fachanwalt für Familienrecht in Düsseldorf zu sprechen. 

 

„Fehlerhaft unterbliebene Anhörung eines Kindes“ von Anna Mallwitz, wissenschaftliche Mitarbeiterin