Kindesentführung

Kindesentführung bedeutet das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes im Ausland. Kindesentziehung bezieht sich auf vergleichbare Vorgänge ohne Auslandsbezug und unterliegt ausschließlich nationalem Recht.

Aufgrund zunehmender binationaler Partnerschaften kommt es vermehrt zu internationalen Konflikten über das Sorgerecht. Häufig bringt ein Elternteil das Kind eigenmächtig in sein Heimatland oder zu einem neuen Partner ins Ausland. Dies stellt sich für den zurückbleibenden Elternteil als Kindesentführung dar, gegen die er rechtlich vorgehen kann.

Deutschland ist Vertragsstaat von zwei internationalen Abkommen zur Regelung internationaler Kindesentführungen wie dem Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) und dem Europäischen Sorgerechtsübereinkommen (ESÜ) und unterliegt zudem der EU-Verordnung Brüssel IIa.

Häufig gestellte Frage: Handelt es sich um eine Kindesentführung, wenn beide Eltern das Sorgerecht gemeinsam ausüben und ein Elternteil das Kind ins Ausland verbringt?

Auch bei gemeinsamem Sorgerecht kann eine Kindesentführung vorliegen, wenn ein Elternteil das Kind ohne Zustimmung des anderen Elternteils ins Ausland verbringt oder dort zurückhält (Art. 3 HKÜ).

Ein Verbringen oder Zurückhalten ist nach Art 3 HKÜ widerrechtlich, wenn:

es gegen das Sorgerecht eines Elternteils verstößt, das dieser nach dem Recht des Staates ausübt, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt vor der Entführung hatte, und

dieses Sorgerecht tatsächlich ausgeübt wurde oder ohne das Verbringen weiter ausgeübt worden wäre.

Bei gemeinsamem Sorgerecht darf ein Elternteil folglich nicht alleine entscheiden, das Kind ins Ausland zu verbringen – es bedarf der Zustimmung des anderen Elternteils. Ein Alleingang ist daher ein Verstoß gegen das gemeinsame Sorgerecht und erfüllt den Tatbestand der Kindesentführung.

Beispiel:

Beide Elternteile haben nach deutschem Recht gemeinsames Sorgerecht.

Die Mutter verbringt das Kind nach der Trennung ohne Zustimmung des Vaters dauerhaft nach Spanien.

Der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes war bis dahin in Deutschland.

Das ist eine Kindesentführung nach Art. 3 HKÜ. Der Vater kann nach Art. 8 HKÜ einen Antrag auf Rückführung stellen.

Ausnahme:

Ein Elternteil hat alleiniges Aufenthaltsbestimmungsrecht (z. B. durch familiengerichtliche Entscheidung oder § 1671 BGB). Dann liegt keine widerrechtliche Entführung vor, wenn er das Kind alleine ins Ausland bringt.

Liegt eine Kindesentführung in einen Drittstaat vor, der weder dem Haager Übereinkommen (HKÜ) noch der Brüssel IIa-Verordnung unterliegt, gestaltet sich das Verfahren deutlich schwieriger. In solchen Fällen kommt es auf das nationale Recht des betreffenden Staates an. Eine Rückführung des Kindes kann daher nicht auf Grundlage internationaler Abkommen verlangt werden, sondern muss den dort geltenden rechtlichen Verfahren folgen.

Es wird dringend empfohlen, örtliche Rechtsanwälte mit Kenntnissen des Familienrechts im betroffenen Land einzuschalten, um die Erfolgschancen zu erhöhen und das richtige Vorgehen zu wählen. Unterstützung erhalten Betroffene insbesondere durch:

das Auswärtige Amt, das bei der Kontaktaufnahme mit Behörden im Ausland hilft, und

den Verband binationaler Familien und Partnerschaften (iaf) e.V., der Beratung und Informationen zum Umgang mit grenzüberschreitenden Familiensituationen bietet.

Zu diesen Drittstaaten zählen: China (Festland, nicht Hongkong oder Macau), Indien (nicht Vertragsstaat des HKÜ), Saudi-Arabien, Pakistan, Iran, Tunesien, Indonesien, Ägypten