Elternstreit über Impfung: Wer der STIKO folgt, entscheidet

Die Antwort auf die Frage, ob man ein (minderjähriges) Kind impfen lässt oder nicht, sorgt immer wieder für Meinungsverschiedenheiten zwischen Eltern. Unabhängig davon, ob Eltern zusammenleben oder nicht, stellt sich bei gemeinsamem Sorgerecht dann immer die Frage: wer entscheidet letztlich verbindlich darüber, ob ein minderjähriges Kind eine Impfung bekommen soll oder nicht?

Damit hat sich Anfang 2021 das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt befasst (OLG Frankfurt, Beschluss v. 08.03.2021; Az.: 6 UF 3/21).

Rechtslage bei Uneinigkeit der Eltern über Schutzimpfung

Teilen sich Eltern das Sorgerecht für ein Kind oder mehrere Kinder (gemeinsames Sorgerecht), müssen Eltern wesentliche Entscheidungen für ihre Kinder gemeinsam treffen. Das gilt damit auch für medizinische Behandlungen (z.B. Operationen) oder: im Hinblick auf präventive Schutzimpfungen.

Können sich Eltern in solchen Fällen nicht einigen, können auf Antrag Gerichte darüber entscheiden, welcher Elternteil wichtige Entscheidungen alleine treffen darf, damit es zum Wohle des Kindes überhaupt zu einer Entscheidung kommt.

So kann bei gemeinsamem Sorgerecht jeder Elternteil bei Gericht einen Antrag stellen, dass die Entscheidung „über einzelne Angelegenheiten von erheblicher Bedeutung für das Kind“ auf Grundlage von § 1628 S. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) alleine auf einen Elternteil übertragen wird. Das ist auch dann möglich, wenn Eltern sich nicht darüber einigen können, ob ihr Kind Schutzimpfungen erhalten soll oder nicht.

Vater und Mutter uneinig – der Fall vor dem OLG

Im Fall vor dem OLG Frankfurt am Main stritten die Eltern eines Kleinkindes (Jahrgang 2018) mit gemeinsamem Sorgerecht darüber, wer die Impfentscheidung für die gemeinsame Tochter treffen könne. Die Mutter war für eine Impfung des Kindes auf der Basis der STIKO-Empfehlungen für das Impfen von Kleinkindern (Empfehlung u.a. für MMR-Impfung (= Impfung gegen Masern, Mumps und Röteln), aber auch gegen Hepatitis B, Diphtherie und Tetanus (= Impfung gegen Wundstarrkrampf)). Der Vater lehnte die Impfung seiner Tochter kategorisch ab und wollte das Gericht außerdem prüfen lassen, ob seine Tochter überhaupt „impffähig“ sei.

Deshalb stellte die Mutter des Kindes vor dem Amtsgericht Antrag darauf, ihr allein die Befugnis darüber zu erteilen, über die Impfung der Tochter zu entscheiden – mit Erfolg. Dagegen legte der Vater des Mädchens Beschwerde beim Oberlandesgericht ein – ohne Erfolg.

Urteil des OLG: Impfempfehlung der STIKO ausschlaggebend

Letztlich kamen die Richter zum Ergebnis, dass der Elternteil allein und verbindlich über das Thema „Impfen – ja oder nein“ entscheiden kann, der den Empfehlungen der ständigen Impfkommission (STIKO) folgt. Denn bei der Entscheidung über diese stehe das Kindeswohl im Vordergrund, nicht die Haltung der Eltern zu diesem Thema.

Wenn eine Impfung für Kinder von der STIKO empfohlen werde und wenn sich die Mutter hier konkret daran orientiere, sei davon auszugehen, dass eine Impfung für das Kindeswohl das bessere Konzept sei, da der Schutzeffekt der Impfung gegenüber den Risiken der Impfung deutlich überwiegen würde.

Deshalb sei es im Sinne des Kindeswohls, die Impfentscheidung auf den Elternteil zu übertragen, der sich bei der Entscheidung an den Empfehlungen der STIKO orientiert – hier also auf die Mutter. Denn die Empfehlung der STIKO würde grundsätzlich die Aufgabe eines vorweggenommenen Sachverständigengutachtens erfüllen. Außerdem – so die Richter – müsse das Gericht nicht prüfen, ob das Kind aus medizinischer Sicht impffähig ist. Laut STIKO müsse das ohnehin in jedem Einzelfall gesondert vom Arzt geprüft werden.

Auswirkungen des Urteils

Werden sich Eltern mit gemeinsamem Sorgerecht für ein Kind/Kinder bei wesentlichen Entscheidungen für das Kind partout nicht einig, kann man gerichtlich klären und festlegen lassen, welcher Elternteil im konkreten Fall die Entscheidung allein treffen darf.

Im Falle von Impfungen hat das OLG Frankfurt im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) aus dem Jahr 2017 (Beschluss v. 03.05.2017; Az.: XII ZB 157/16) klargestellt, dass

  • die Frage „Impfen: ja oder nein?“ eine so wesentliche Frage ist, dass Gerichte nach § 1628 BGB die alleinige Entscheidungsbefugnis auf einen Elternteil übertragen können und dass
  • bei der Entscheidung der Frage maßgeblich ist, welcher Elternteil den Empfehlungen der STIKO im Sinne des Kindeswohles folgt.

Dieses Urteil dürfte grundsätzlich von Interesse sein – vor allem bei der Impfung von Kleinkindern.

Es wird aber vermutlich auch im Zusammenhang mit „Corona-Schutzimpfungen“ (Sars-CoV-2 Impfungen) auch bei Teenagern und Schulkindern im Frühjahr und Sommer 2021 von Bedeutung sein.

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