Wer mit seinem Gehalt aus einer Anstellung nicht recht über die Runden kommt, nimmt nicht selten einen Nebenjob bzw. eine Nebentätigkeit auf, um sich etwas dazuzuverdienen. Das ist auch grundsätzlich unproblematisch, wenn sich dadurch keine Interessenkonflikte ergeben, z.B. weil zwischen den Arbeitgebern ein Wettbewerbsverhältnis besteht.
Damit der Arbeitgeber aber eben hierüber ein wenig Kontrolle hat, ist in vielen Arbeitsverträgen geregelt, dass Arbeitnehmer*innen dem Hauptarbeitgeber mitteilen müssen, wenn sie einen Nebenjob annehmen.
Teilt man in einem solchen Fall dem Arbeitgeber nicht mit, dass man einer Nebentätigkeit nachgeht, kann das arbeitsrechtliche Konsequenzen haben. Aber ist eine (fristlose) Kündigung wegen Verletzung der arbeitsvertraglichen Anzeigepflicht möglich? Und gilt ggf. etwas anderes, wenn die Nebentätigkeit in einem „Corona-Hotspot-Unternehmen“ auch zu einer Gesundheitsgefährdung im Betrieb des Hauptarbeitgebers führen könnte? Damit setzte sich aktuell das Arbeitsgericht (ArbG) Bielefeld auseinander (Urteil v. 17.12.2020; Az.: 1 Ca 1741/20).
Was war passiert?
Ein Angestellter eines Unternehmens, das Autoteile an Fahrzeughersteller zuliefert, nahm einen Nebenjob an, um sich etwas dazuzuverdienen. Jeweils an einem Tag in der Woche war er als Reinigungskraft im Schlacht- und Zerlegebetrieb Tönnies beschäftigt, ohne dabei aber mit den Mitarbeitern vor Ort Berührungspunkte im Arbeitsablauf zu haben. Dass er diesen Nebenjob hatte, hatte der Mann seinem Hauptarbeitgeber nicht mitgeteilt, obwohl er dazu laut seinem Arbeitsvertrag verpflichtet gewesen wäre.
Als im Juni 2020 der Schlacht- und Zerlegebetrieb in Rheda-Wiedenbrück zu einem echten „Corona-Hotspot“ wurde – > 1100 SARS-CoV-2 Infektionen unter den Mitarbeitern! –, wurde der Betrieb coronabedingt von den Gesundheitsbehörden zeitweise geschlossen. Der Mitarbeiter, der nebenbei als Reinigungskraft im Betrieb arbeitete, ließ sich daraufhin freiwillig auf das Corona-Virus testen – das Testergebnis war negativ.
Kurz darauf erfuhr der Arbeitgeber von der Putz-Nebentätigkeit seines Mitarbeiters bei Tönnies und reagierte sofort mit einer fristlosen und einer hilfsweisen ordentlichen (verhaltensbedingten) Kündigung „wegen Verletzung der Anzeigepflicht“ in Bezug auf seine Nebentätigkeit. Vor allem weil der Mitarbeiter nach Bekanntwerden der massenhaften Infektionen bei Tönnies nichts gesagt habe, erfolgte die Kündigung auch fristlos gem. § 626 BGB: mit seinem Schweigen hätte er in Kauf genommen, dass seine Kolleginnen und Kollegen im Autoteile-Zulieferbetrieb sich mit dem SARS-CoV-2 Virus infizieren.
Sich so zu verhalten, sei grob fahrlässig gewesen und habe das Vertrauensverhältnis im Arbeitsverhältnis derart stark beeinträchtigt, dass dem Arbeitgeber das Abwarten der Kündigungsfrist für eine ordentliche verhaltensbedingte Kündigung nicht zuzumuten sei.
Gegen diese (fristlose) Kündigung erhob der Mitarbeiter Kündigungsschutzklage.
Entscheidung des ArbG in Bielefeld
Die Richter kamen zu dem Ergebnis: Die Klage ist begründet, da sowohl die fristlose Kündigung als auch die ordentliche verhaltensbedingte Kündigung unwirksam waren.
Grundsätzlich stelle die Verletzung der Mitteilungspflicht über einen „Nebenjob“ zwar eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar. Allerdings sei – auch in diesem speziellen Fall – die Pflichtverletzung nicht so schwerwiegend, als dass eine (fristlose) Kündigung eine angemessene Reaktion sei. Vor allem sei die Pflichtverletzung nicht so schwerwiegend, dass das Abwarten einer Kündigungsfrist dem Arbeitgeber nicht zuzumuten wäre – die fristlose Kündigung war damit jedenfalls unverhältnismäßig.
Gleiches gelte auch für die ordentliche Kündigung: zum einen war der Betriebsrat unrechtmäßig nicht beteiligt worden. Und letztlich hätte nach Auffassung der Richter in diesem Fall eine Abmahnung des Mitarbeiters ausgereicht. Das schwer rücksichtslose Verhalten des Angestellten erkannten die Richter nicht, da der Mann sich direkt einem Corona-Test unterzogen habe – das Ergebnis war negativ. Außerdem hatte er wegen der extremen medialen Berichterstattung über den „Fall Tönnies“ nicht den Mut gefunden, sich ausgerechnet in dieser Situation dem Arbeitgeber zu offenbaren.
Fazit
Wer laut Arbeitsvertrag verpflichtet ist, seinem Arbeitgeber Nebentätigkeiten anzuzeigen, sollte dieser Pflicht unbedingt nachkommen. Denn eine Verletzung der sog. Mitteilungspflicht kann Rechtsgrundlage für eine Abmahnung oder verhaltensbedingte Kündigung sein – im Extremfall auch für eine außerordentliche Kündigung ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist.
Das Urteil zeigt hier aber auch, dass wohl in vielen Fällen eine Kündigung unverhältnismäßig ist und allein eine Abmahnung in aller Regel als arbeitsrechtliche Reaktion ausreichend und damit angemessen ist. Spricht der Arbeitgeber dennoch eine (fristlose) Kündigung aus, kann es sinnvoll sein, auf die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage zu reagieren.
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